Von Mensch zu Mensch reagiere ich in erster Linien mit Güte und Humor. Weil ich glaube, dass die allerwenigsten Menschen absichtlich etwas sagen, das mich verletzen könnte. Eine sehr gute Journalistin, die ich schätze, hat mich in einem Interview einmal gefragt, wie ich zu einem Vorfall stehe – irgendwo in Griechenland hatte es Ausschreitungen gegeben, bei denen Rom:nja angeblich Marktstände zerstört hätten. Ich habe geantwortet: Ich habe gehört, am Ballermann haben wieder 300 Deutsche randaliert, ein paar Biergläser zerhauen, und da gibt’s jetzt ein Verfahren: Wie stehen Sie dazu? Dann hat sie sehr schnell verstanden, wo ich hin wollte. Dieses Kollektiv-verantwortlich-Sein für ein ganzes Volk ist ein typischer Fehler, den Journalist:innen machen. […] Journalist:innen müssen die eigenen Bilder im Kopf hinterfragen. Über 95 Prozent aller Roma weltweit sind sesshaft, wandern nicht, leben in Wohnungen und arbeiten. Sie führen ein ganz normales Leben. Das Bild in den Medien spiegelt das nicht wider. Armut und Obdachlosigkeit gibt es nicht nur in der Community, sondern auch in der deutschen Bevölkerung. Das ist aber medial nicht so präsent und somit auch nicht in unserem kollektiven Bewusstsein.
Gilda Horvath, taz.de, 08.04.2024 (online)