Zitiert: Musikkritik leidet unter Prestigeverlust

Zwar wird heute mehr denn je über alle Arten von Musik geschrieben und gesprochen, es wird medienübergreifend berichtet, gestritten und geurteilt, doch das Metier leidet seit Langem unter einem schleichenden Prestigeverlust. Er zeigt sich im schwindenden Platz in den Tageszeitungen, in den beschämend geringen Autorenhonoraren, in der oft anbiedernden Haltung der Journalisten gegenüber den Veranstaltern, in den vielen schnell dahingeredeten Meinungen. Im Rundfunk wird bei den Programmreformen der qualifizierte Musikjournalismus regelmäßig auf die hinteren Plätze verwiesen oder durch windelweiche Moderation ersetzt. Nicht zu viel Fakten, keine langen Sätze und bitte keine Fremdwörter, lautet die allgemeine Devise, denn das könnte die Hörer überfordern. So gesehen sind auch alte Kritikertugenden wie Partiturkenntnis und musikhistorisches Wissen entbehrlich. […]

Die um sich greifende Verunsicherung hat heute Züge von Desorientierung angenommen. Aus Angst, als rückständig zu gelten, unterstützen die einen die opportunistischen Versuche der Veranstalter, das traditionelle Repertoire durch populistische Effekte einem klassikfernen Publikum schmackhaft zu machen, und werden dabei selbst zu Opportunisten, während die anderen das Kind gleich mit dem Bade ausschütten: Sie verstehen Musikkritik als Dekonstruktion des tradierten Musikbegriffs und sympathisieren mit den politischen Aktivisten, die den verachteten bürgerlichen Musikbetrieb zum kulturellen Kampfplatz für Antikolonialismus, Umweltfragen und die Kritik am alten weißen Mann machen möchten. Die vernünftige Mitte – die Akzeptanz eines spannungsreichen und vielleicht auch befruchtenden Nebeneinanders zweier kultureller Sphären mit ihren je eigenen Geschichten, Kriterien und Sprachgewohnheiten – gerät dabei unter die Räder. Anzumerken wäre in diesem Zusammenhang, dass der Gegensatz zwischen Klassik- und Popkritik längst nicht so groß ist wie oft behauptet. Die besten Erzeugnisse aus beiden Bereichen zeigen in der kritischen Herangehensweise an den Gegenstand, in ihrem analytischen Blick und der sachbezogenen Argumentation viele Gemeinsamkeiten.

Max Nyffeler, faz.net, 10.09.2024 (online)

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Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
Out of Space
Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)