Es heißt, man müsse ihre Sorgen ernst nehmen, ihnen auf Augenhöhe begegnen. Doch sie werten jede Diskussionsbereitschaft als Zugeständnis ihres Gegenübers und Anerkennung, ja als Indiz dafür, ihr Unsinn wäre eine akzeptable Position.
„Auf Augenhöhe diskutieren“ bedeutet hier, dass beide Seiten ihre Argumente vortragen und am Ende stolz sind, dass sie wenigstens im Gespräch waren. Das führt zu „false balance“ – einer Fehlannahme, die Außenstehende im schlimmsten Fall glauben lässt, die Wahrheit liege schon „irgendwo in der Mitte“. Das tut sie nicht. In der Frage, ob man Menschen ermorden darf oder lieber nicht, liegt die Wahrheit schließlich auch nicht irgendwo in der Mitte.
Sebastian Leber, tagesspiegel.de, 11.05.2020 (online)