Seit Jahrzehnten verhindern die Novellierungsprozesse grundsätzlichere Überlegungen, weil sie allein als Aushandlungsprozess zwischen Politik und Lobbyismus stattfinden. Einen kulturellen Auftrag im Sinne des Gemeinwohls für Film und Kino, wie das für alle anderen Künste und Kulturbauten unbestritten der Fall ist, erkennt keiner mehr. Interessen also, die durch die Verfassung geschützt sein sollten, Film und Kino als kulturelle Praxis zu bewahren, wenn die Geschäfte gemacht sind, nimmt niemand wahr. Auch Filmkritik, die allseits gerade zum Service abgewickelt wird, ändert daran nichts mehr, resümierte resigniert eine Kollegin.
Die neue Kulturstaatsministerin setzt die Politik der alten unerschrocken fort, nur in Grün, und besaß nun sogar die Unverfrorenheit, die Mittel des German Motion Picture Fonds (GMPF) aus eigenem Haushalt und damit aus Steuermitteln um weitere 15 Millionen aufzustocken, damit es mit den großen Geschäften ungestört weitergehen kann. Auf Kosten der Kultur, denn der Gedanke, Film und Kino von gewerblichen Interessen freizustellen, wird allenfalls belächelt. Der Verleiher Torsten Frehse konnte daher beim besten Willen nicht mehr begreifen, warum man ein prosperierendes Geschäft subventioniert und nicht antizyklisch behandelt. Man ahnt schon in Umrissen, warum, denn die Grünen zeigten sich bereits vor der Wahl allein wirtschaftlichen Interessen am Kino gegenüber aufgeschlossen; damit freilich standen sie nicht allein, sofern man das beruhigend finden möchte. Die Filmwirtschaft bläst zum letzten Geschäft mit dem Kino; die Zeche bezahlt der Staat.
Lars Henrik Gass, filmdienst.de, 28.4.2022 (online)