Rundfunkpolitik ist eine zähe Angelegenheit. Meistens interessieren sich nur Fachpolitiker für sie, und Fachpolitiker sind oft Juristen. Die neigen zur Spitzfindigkeit, und so dauert es manchmal Jahrzehnte, bis sie ein Schrittchen vorankommen. Verzögert wird die Rundfunkpolitik aber vor allem dadurch, dass jede klitzekleine Änderung erst wirksam werden kann, wenn die Landtage aller 16 Bundesländer zustimmen. Schert ein Bundesland aus, bleibt alles, wie es ist.
In den vergangenen 20 Jahren kam der komplizierte Aushandlungsprozess fast zum Erliegen, weil die Rundfunkpolitiker ihr Steckenpferd am liebsten von hinten aufzäumten: Sie wollten erst den Finanzbedarf der Anstalten klären und hinterher deren Aufgaben definieren. Das konnte nur schiefgehen. Denn alle redeten ständig über Geld, während sie in Wahrheit an den Programmen zweifelten. Einigen waren sie zu links, anderen zu oberflächlich, wieder andere sorgten sich um die bedrängte private Konkurrenz, und vielen war die „inflationäre“ Vermehrung der Sender ein Dorn im Auge. Über 20 öffentlich-rechtliche TV-Programme und mehr als 70 Hörfunksender – wo sollte das hinführen? Gegründet wurde der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) doch vor allem, um die notwendige „Grundversorgung“ der Bevölkerung mit Informationen, Bildung und Kultur zu gewährleisten. Eine uferlose Überdehnung seines Auftrags war nicht vorgesehen.
Weil sich viele Politiker aber nicht trauten, über eine grundlegende Reform des Auftrags und der Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu reden, nörgelten sie lieber an der „Zwangsgebühr“ herum. ….
Würde die angepeilte Strukturreform tatsächlich 2025 durch eine Finanzreform ergänzt, welche die Rundfunkgebühr an die Inflationsrate koppelt, ergäbe sich – trotz allen Süßholzraspelns über Zukunftsfähigkeit und Modernisierung – eine Vollbremsung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Denn jede Weiterentwicklung müsste künftig durch interne Einsparungen gegenfinanziert werden, ein Rückbau wäre unvermeidlich. Und genau das ist das Ziel derer, die das öffentlich-rechtliche System seit jeher „verschlanken“ wollen. Während der Digitalverband Bitkom nur die neun Landesrundfunkanstalten auf sieben reduzieren und die vielen Tochtergesellschaften der Sender „privatisieren“ möchte, verlangt die CDU/CSU-Mittelstandsunion – ähnlich wie die AfD – eine Fusion von ARD und ZDF, eine Reduzierung der linearen TV-Vollprogramme und den Verzicht auf Sport- und Unterhaltungsformate zugunsten privater Sender. …
Es ist aber keineswegs sicher, ob nicht – wie zuletzt Sachsen-Anhalt – wieder ein Land aus der gemeinsamen Rundfunkpolitik ausbricht. Die Union, die 20 Jahre lang mit der SPD eine Art Rundfunk-GroKo bildete, ist jetzt im Bund Opposition. Sie wird deshalb in „ihren“ Landesregierungen stärker auf eine Begrenzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dringen und sich notfalls querlegen.
Wolfgang Michal: Nur noch fünf Fernsehsender? Freitag, 47/2021 (online)