Was Hartmut Rosa, Professor für Soziologie in Jena, dem Publikum vorstellte, lässt sich mit dem Titel „Zurück in die Zukunft“ überschreiben. Seine Diagnose ist wenig behaglich. Die Lebenswelten driften auseinander, Wohnviertel, Schulen, Betriebe, überall trennen sich die Sphären der Menschen aus verschiedenen Schichten. Selbst in den Restaurants und beim Einkaufen begegnet man „den anderen“ nicht mehr. „Es kommt zu einer massiven Erosion von gemeinsamen Lebenswelten.“
Die Konsequenz, die Rosa zieht, ist aber gerade nicht der Appell, der öffentlich-rechtliche Rundfunk solle doch bitte all diese Gruppen zielgenau mit lauter neuen Spartenkanälen bedienen. Mit der Forderung, lediglich die Vielfalt der Meinungen abzubilden, erzeuge man wieder nur eine Aggregation von Privatmeinungen. Entscheidend ist aus seiner Sicht, dass diese Meinungen in einer gemeinsamen öffentlichen Sphäre ausgetauscht werden. Dass sie also einfließen in eine gemeinsame Willensbildung, die den Namen verdient. Mehr Habermas wagen.
Und dabei geht es ihm beileibe nicht um einen rationalen Diskurs über, sagen wir, Sinn oder Unsinn von Agrardieselsubventionen. „Es geht um die gemeinsame Anverwandlung der Welt“, so nennt Rosa das. Um gemeinsame Geschichten, gemeinsame Bilder, um eine geteilte Lebenswelt. „Ich würde mir wünschen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk diese gemeinsame Basis schaffen kann.“
Wolfgang Janisch, sueddeutsche.de, 14.01.2024 (online)