Zitiert: Olympia 2012 in London

 

„Visuell so gut wie noch nie“ fasst Dietrich Leder seinen Artikel in der Funkkorrespondenz zusammen (FK 33/34/2012) und stellt aber auch zusammen, „was den Betrachter gewaltig störte“:

 

1. dass ARD und ZDF regelmäßig so taten, als sendeten und kommentierten sie live, obgleich das jeweilige Ereignis schon längst gelaufen war, wie es man oft genug etwa auf Eurosport hatte sehen können;

 

 

2. dass viele Übertragungen durch Human-Touch-Geschichten aufgebläht wurden, was so weit ging, dass ein ARD-Reporter an der Kanu-Rennstrecke den Kugelstoßer David Storl fragte, der dort seiner Kanu fahrenden Freundin Beistand leisten wollte, wie es denn bei den beiden mit dem Kinderwunsch aussehe – was den jungen Athleten merklich irritierte;

 

3. dass der ARD-Verleser der Olympia-Nachrichten, der sichtlich von sich selbst überzeugte Alexander Bommes, immer „absolut“ sagte, wenn er einfach auf eine Frage im Grunde nur „ja“ sagen wollte; und obgleich er in all seinen Beiträgen souverän wirkte, sich kaum versprach, auch pfiffig formulierte, ging er einem angesichts seines dauerhaft arretierten Grinsens irgendwann so sehr auf den Geist, dass man die ungleich sachlichere und bescheidenere Jana Thiel im ZDF schätzen lernte;

 

4. dass die Studiomoderatoren von ARD und ZDF, Michael Antwerpers und Gerd Delling bzw. Rudi Cerne und Michael Steinbrecher, immer so gut gelaunt witzelten, wenn sie sich ablösten, als sei das Ganze ein einziger Spaß, selbst wenn sie nach mehreren Stunden Studiopräsenz eher müde und fade wirkten;

 

5. dass beide Sender viele kurze Einspielfilme zeigten, die eine besondere Entscheidung, eine Sportart oder einen Sportler mit genau den reklamegleichen Worten vorstellten, die zuvor der jeweilige Moderator auch gewählt hatte, was als Redundanz die Erwartung nicht steigerte, sondern nur reduzierte;

 

6. dass jedes Mal das ZDF-Maskottchen, ein Basset, als animierte Bauchbinde durch das Bild hoppeln musste, wenn ein Studiogast vorgestellt wurde; es war fast so, dachte man, als wolle der Sender den Hund auch als Stofftier verkaufen, und dann stellte man fest – Überraschung! –, er tut genau das über seinen Online-Shop; die ARD sollte Alexander Bommes als Plüschtier auflegen und kontern;

 

7. dass die Eurosport-Kommentatoren und Leichtathletik-Experten Sigi Heinrich und Dirk Thiele trotz ihres enormen Fachwissens in den langen Live-Stunden oft Gefahr liefen, mit ihren selbstbezüglichen Scherzen, mit denen sie wie eine billige Replik von Statler und Waldorf aus der „Muppet Show“ wirkten, und mit ihren vielen falschen Metaphern ihr Publikum zu verlieren;

 

8. dass die Weltregie jeder Zeitlupeneinblendung neben der visuellen Kennzeichnung der Überblendung zusätzlich auch noch ein akustisches Zeichen unterlegte (eine Art von elektronischem Schlagwerkgeräusch), das vor allem bei den Übertragungen vom Fechten und vom Turnen überlaut war;

 

9. dass man sich fast an das hässliche Olympia-Logo, das wie ein atomar verstrahlter Teletubby aussehende Olympia-Maskottchen, die absonderliche Auszeichnungsschrift und die Farbe Lila, in die vieles gekleidet war, gewöhnt hatte;

 

10. und schließlich, dass man die Musik von Vangelis, die er einst für den Spielfilm „Chariots of Fire“ geschrieben hatte, so oft hören musste, dass man sie den Tag über ungewollt andauernd pfiff und sie so irgendwann wie ein modulierter Tinnitus erschien.

 

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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