Vetternwirtschaft, Vorteilsnahme und Verschwendung. Das meiste davon ist nicht strafbar – und vieles sogar üblich in ihren Kreisen. […]
Systematisch sponsert die deutsche Autoindustrie die Luxusgefährte der MinisterInnen in Berlin und in den Ländern. Ganz harmlos heißt dies „Marketing“. Die Wahrheit ist viel härter: Es handelt sich um Lobbyismus. Die MinisterInnen sollen auf ihren eigenen Pobacken erleben, wie weich und sanft eine deutsche Luxuskarosse dahingleiten kann. Wer dieses sinnliche Erlebnis genossen hat, so hofft die Autoindustrie, wird niemals am staatlichen Dienstwagenprivileg rütteln, das die Konzerne indirekt mit Milliarden subventioniert.
Doch über diesen frechen Lobbyismus namens „Regierungspreis“ wird bisher nicht diskutiert. Stattdessen gilt als Skandal, dass Schlesinger dieses Schnäppchen ebenfalls nutzte. Da verrutschen Kategorien. […]
Der Skandal ist nicht, dass Schlesinger unangemessen verdiente, sondern dass der gesamte öffentlich-rechtliche Rundfunk zu einem Selbstbedienungsladen verkommen ist. […]
Schlesinger stolpert nicht, weil sie zu viel verdient hätte, sondern weil sie in ihrer Gier so kleinlich ist, dass sie noch nicht einmal vor Betrug zurückschreckte. Die Untersuchungen laufen zwar noch, aber der Verdacht liegt nah, dass sie private Abendessen in ihrer Wohnung beim RBB als dienstlich abgerechnet hat. […]
Schlesingers dumme Gier ist selten in den Oberschichten. Alle anderen bereichern sich legal. Insofern muss man der RBB-Intendantin sogar dankbar sein, dass sie so geizig war, dass sie weder Grenzen noch Vorsicht kannte. Durch Schlesinger gerät in den Fokus, was in ihren Kreisen als selbstverständlich gilt.
Ulrike Herrmann, taz.de, 14.8.2022 (online)