Wie jedes Geschäft hat auch das Polit-Talkshowgeschäft seine eigenen Regeln. Der möglichst informative und skrupulöse Gedankenaustausch steht nicht im Mittelpunkt. Es geht schließlich um ein so rares wie maßlos launisches Gut: um die Aufmerksamkeit des Publikums. Das im Zweifel mäandernd Tastende, Uneindeutige, Ungeklärte eines echten Gedanken- und Wissensaustauschs ist kein zuverlässiger Garant für Aufmerksamkeit. Im Gegenteil.
Deshalb muss für Eindeutigkeit gesorgt werden, und zwar schon vorher. Eingeladen werden üblicherweise nicht die Menschen, die ein Thema am umfassendsten durchdacht und in all seiner Vertracktheit wirklich durchstiegen haben. Sondern einfach die, die eine möglichst eindeutige Position beziehen und diese in möglichst einfachen Worten und kurzer Zeit vortragen können.
Jens-Christian Rabe, sueddeutsche.de, 01.04.2022 (online)