Banales wird politisiert, in der Folge banalisiert sich das Politische, weil es weiter stattfinden will und in einer Demokratie ja auch stattfinden sollte vor aller Augen. Der Konflikt funktioniert dabei bestens als Verstärker. Leute werden eingeladen, weil sie dafür bekannt sind, mal einen rauszuhauen. Weil wenn jemand einen raushaut, gibt es Empörung, gibt es also Aufmerksamkeit, gibt es gute Quoten, Klicks, Umsätze. […]
Man bräuchte Vertiefung. Auch weniger eng definierte Rollen. Also: Der Aktienrentner von der FDP darf eine Zweitidentität als kompromissloser Veganer haben. Die Klimaaktivistin wird nicht allein nach der einen Flugreise von vor fünf Jahren bemessen. Je mehr Komplexität man einzelnen Talk-Gästen erlaubt, umso konzentrierter, ruhiger, interessanter wird ganz automatisch die Show. Vielleicht nicht immer, aber immer öfter. […] Unter Umständen würde dann etwas seinen Lauf nehmen, das in zweierlei Hinsicht den Namen Unterhaltung verdient: ein wendungsreicher, differenzierter, ergebnisoffener Austausch, der nicht langweilt. […]
Zum Respekt für dieses Publikum gehört, es nicht zu unterfordern, aber auch, es ganz ehrlich zu fragen, auf wie viel tatsächliche, inhaltliche Auseinandersetzung, auf wie viel Anstrengung es nach Feierabend tatsächlich Lust, auch wie viel Kraft und Zeit es dafür hat.
Möglicherweise verachten Teile der öffentlich-rechtlichen Medien ihre Zuschauer nämlich doch nicht in dem Maß, das Kritiker ihnen gelegentlich vorwerfen. Unter Umständen lechzt das Publikum auch gar nicht so sehr nach jener Reflexionstiefe, wie man sie in Feuilletons wie diesem gerne energisch einfordert.
Bernhard Heckler, Cornelius Pollmer, sueddeutsche.de, 21.06.2024 (online)