[D]ie Themen der AfD brauchen keine ulkige Verpackung, keine nachträgliche Affektaufladung, sie sind bereits Affekt, sie sind bereits Ulk und Häme, deshalb funktionieren sie unmittelbar auf dieser Plattform, die im Wesentlichen ein Boulevardsender zum Mitmachen ist. Die AfD kann sie dort direkt ausspielen und damit den Menschen das Gefühl geben, sie ernst zu nehmen.
Auch in anderer Hinsicht dürfte der rasante Aufstieg von Tiktok der AfD geholfen haben. Auf der Plattform kann man in die eigenen Kurzvideos bequem fremde Videoschnipsel einbinden, kommentieren und in neue Zusammenhänge bringen. Ideal für politische „Wegelagerei“, wie der Soziologe Steffen Mau das zuletzt nannte. […]
Die politischen Trolle, die Wegelagerer in den Parlamenten und Talkshows müssen nur warten – irgendwann sagen die Gegner schon etwas Unbedachtes, das sich durch den Fleischwolf der Videomontage drehen und durchs Netz zu jagen lässt. Deshalb verpanzern sich manche Politiker rhetorisch, ihre wachsenden Stäbe an PR-Beratern lassen sie durchgecoacht klingen. Was dann implizit wieder die AfD bestätigt, der zufolge Politiker Menschen mit einem Narrativ, einem Framing sind – unehrlich. Eine andere Schule versucht, um dem entgegenzuwirken, möglichst ungezwungen und nahbar rüberzukommen, aber natürlich nach streng kuratierten Prämissen, um nicht doch wieder Angriffsfläche zu bieten.
Philipp Bovermann, sueddeutsche.de, 12.10.2023 (online)
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