Die „Lidové noviny“ war eine Zeitung intellektueller Auseinandersetzungen. Nun soll sie zumindest in gedruckter Form eingestellt werden.
Als das tschechische Medienhaus Mafra diese Woche mitteilte, dass es Ende August den Druck der Zeitung „Lidové noviny“ einstellen wird, machte sich in Intellektuellenkreisen in Prag Nostalgie breit. Die „lidovky“ sind die älteste noch erscheinende Zeitung in tschechischer Sprache. 1893 in Brünn gegründet, erlebte das bald in die Hauptstadt übergesiedelte Blatt in der ersten tschechoslowakischen Republik eine Blüte. Schriftsteller wie Karel Čapek zählten zu den Autoren. Obwohl der Name (auf Deutsch: Volkszeitung) es nahelegt, war es kein kommunistisches Blatt, sondern liberal-konservativ geprägt. Folglich musste es während der kommunistischen Diktatur bald eingestellt werden. Dissidenten fingen Ende der 1980er-Jahre an, eine Samisdat-Zeitung mit dem alten Titel wieder herauszugeben, anfangs illegal. Die Namen der Autoren lesen sich wie ein Who’s who der Charta 77, allen voran Jiří Dienstbier, Ludvík Vaculík und natürlich Václav Havel.
Nach der Samtenen Revolution übernahmen Verlagshäuser aus Deutschland die tschechischen Zeitungen. Bei den „Lidové noviny“ war es die Rheinisch-Bergische Druckerei und Verlagsgesellschaft.
Stephan Löwenstein, faz.net, 21.07.2024 (online)