Die Podcasterin steht prototypisch und dann auch noch mit einem wirklich guten Produkt für eine neue Generation öffentlicher Stimmen, die das Innerste – Familie, Partnerschaft, Sex – nach außen kehrt und daraus ein Geschäftsmodell macht. Sie selbst ist die Botschaft, weil sie, was sie sagt, ja auch lebt. Sie ist aber auch das Medium.
Ohne ihren privaten und persönlichen Account würde niemand davon mitbekommen, was sie denkt und wie sie fühlt. Kann man jetzt Botschaft oder Medium kritisieren, ohne dass man dabei auch die Person in ihrer Intimsphäre verletzt? Keine Ahnung, aber sollte diese Frage einmal abschließend mit „Ja“ beantwortet worden sein, ist vermutlich selbst dann die Grenze zur Verletzung nie weit weg.
Das Geschäft mit der Nähe bringt aber noch eine weitere, nicht weniger spannende Frage mit sich, über die man sich genauso gut streiten kann. Kann man sich als Mensch, der ein Medium ist, bei Meinungsäußerungen darauf zurückziehen, dass man nebenher noch Privatperson ist? Intuitive Antwort: Ja klar.
Aber selbst dieses „Ja“ scheint spätestens dann angreifbar, wenn man für seine Fans und Follower – mindestens zu einem gewissen Grad – die Rolle einer moralischen Instanz einnimmt. Im Fall Nasemann kommt erschwerend hinzu, dass sie über Erziehungs- und Familienthemen spricht: Jeder und jede hat eine Meinung zum Muttersein, mitunter auch eine sehr starke.
Max Fluder, sueddeutsche.de, 07.07.2025 (online)