Für einen Magazinbeitrag auf RTL sucht ein Moderator Frauen und Männer, die ihr Konto überzogen haben, „Gage nach Absprache“, für Mütter, „die manchmal im ganz normalen Alltagswahnsinn die Geduld verlieren“, zahlt der Sender 200 Euro pro Familie. Für eine MDR-Reportage wird ein Mieter mit hoher Radonbelastung gesucht, 100 Euro für einen halben Drehtag, für den WDR Protagonisten mit Schilddrüsenüberfunktion und ein „Büromensch mit Schulterschmerz, der in Physiotherapie ist“, Aufwandsentschädigung je „nach Absprache“. Ehni sagt, künftig solle beim WDR der Rechercheweg komplett offengelegt werden. Die Protagonistenakquise will man in vielen Sendern transparent machen, manche führen bereits, teils stichprobenartig, Rohschnittabnahmen durch.
Nur: Das Problem beginnt schon vorher. Wenn Redaktionen sich quotenbringende Themen ausdenken und dann Protagonisten suchen, die zur Geschichte passen, verschwimmen Erwartungen und Realität. Im Journalismus geht es aber nicht um Geschichten, die in etwa so stattgefunden haben könnten. Sondern um die, die stimmen, zu 100 Prozent.
Kathrin Hollmer, Süddeutsche Zeitung, 25.01.2019 (online)