Die repräsentative Demokratie überzeugt offenbar immer weniger Leute davon, dass sie die richtige Regierungsform ist, um die Probleme der heutigen Zeit zu lösen. Und die Geschwindigkeit, mit der wir vor allem auf den Klimawandel reagieren müssten, stellt gerade Demokratien vor existenzielle Fragen. Demokratische Verfahren werden ja gerade nicht im Notstandsmodus oder auf Basis von Vorhersagen gemacht, sondern sind langsam und mühsam und notwendig auf die gegenwärtige Wirklichkeit bezogen. […] Und vor allem gab es beim Hineinwachsen in die bundesrepublikanische Ordnung kein Wirtschaftswunder, sondern einen extremen sozio-ökonomischen Umbruch. Die Ostdeutschen erlebten keine Schönwetter-Demokratisierung, sondern eher eine Unwetter-Demokratisierung. Der Westen dachte, wir übertragen unsere guten Erfahrungen auf den Osten, oft ohne viel Interesse und Sensibilität dafür, was die Leute für Vorstellungen hatten.
Christina Morina, sueddeutsche.de, 28.07.2024 (online)