Wirkliche Gerechtigkeit aber würde die Reform erst schaffen, wenn Schwarzfahrer und andere kleine Sünder ihre Strafe vollständig abarbeiten könnten. So aber bleibt ein Klassenunterschied, so aber bleibt es eine Klassenjustiz. Wer Geld hat, kauft sich frei. Wer keines hat, muss in den Knast. […]
Tausende Schwarzfahrer sind eben viel leichter und schneller ins Gefängnis zu stecken als viele von denen, die Steuern hinterziehen, schmutzige Autos verkaufen (lassen) oder sonst einen viel größeren Schaden anrichten. Nebenbei bemerkt: Geradezu grotesk wirkt es, wenn das Gefängnis für Schwarzfahrer den Staat viel teurer kommt als die unbezahlten Tickets für Bahn und Bus.
Der Schaden, der durch diese Art von Klassenjustiz entsteht, ist immens; politisch noch viel mehr als finanziell. Das Vertrauen in einen Rechtsstaat ohne Schlupflöcher für die Reichen und Mächtigen gehört zum Fundament einer freien, demokratischen Gesellschaft. Urteile wie im Fall Stadler aber sind dazu geeignet, dieses Vertrauen zu untergraben.
Klaus Ott, sueddeutsche.de, 27.06.2023 (online)