Da sind einige der besten Schauspieler des deutschen Gegenwartskinos versammelt; da bietet man mit Sten Mende einen Kameramann auf, der Sinn für Licht, Komposition und kindliche Perspektive hat – und dann fehlt es an Respekt für die Andersartigkeit alter Mentalitäten. Hält man historische Persönlichkeiten sonst einem Publikum für nicht mehr zumutbar? Muss die Gegenwart ständig die Vergangenheit belehren, wie man anständig lebt? […]
Doch Eberhard Spree, der die Biographie Anna Magdalena Bachs gründlichst erforscht hat, warnt ausdrücklich davor, in ihr nur das Dielen schrubbende, Rotznasen und Kinderhintern putzende Hausmuttchen zu sehen. Hält man den Mehrteiler „Johann Sebastian Bach“ von Lothar Bellag aus dem Jahr 1985 dagegen, muss man sagen, dass im Respekt vor der historischen Diversität einer versunkenen Welt das Fernsehen der DDR in den Achtzigerjahren geistig freier war als der Umerziehungsfunk unserer Tage.
Auch die Chance, die Entstehung des Weihnachtsoratoriums auf der Tonspur mit zu erzählen, ein Werk in seiner Entstehung hörbar zu machen, wurde vertan. Bachs Musik spielt nur in wenigen Momenten eine Rolle. Ansonsten wird, als schämte man sich bei der ARD für Bach, heutige Soundtrack-Konfektionsware, die auch einen Harry-Potter-Film besäuseln könnte, über die Story gekippt wie Worcestershiresoße.
Jan Brachmann, faz.net, 18.12.2024 (online)