Bewegt sich der Journalismus, wenn er vor allem auf soziale Netzwerke setzt, zwischen Propaganda und Polarisierung?
Journalisten zitieren von Jahr zu Jahr immer mehr Tweets in ihren Texten – zu diesem Ergebnis kamen die Wissenschaftler Gerret von Nordheim, Karin Boczek und Lars Koppers Ende 2018 in einer Studie der TU Dortmund (http://u.epd.de/1ff1). Was als Beitrag zu mehr Interaktion und Partizipation gelobt werden kann, birgt aber auch Gefahren: Journalisten können durch Social Media ein verzerrtes Gefühl für Relevanz bekommen, außerdem fördert die Vernetzung mit Kollegen und Eliten die Zementierung traditioneller Sichtweisen. Gerret von Nordheim fordert Journalisten daher in seinem Gastbeitrag auf, es sich gut zu überlegen, ob sie den Kurznachrichten-Dienst für ihre Berichterstattung nutzen wollen.
Gerret von Nordheim, epd medien 7/20, 14. Februar 2020 (online)
Die Forscher Lars Willnat und David H. Weaver fanden heraus, dass keine andere Gruppe von Journalisten in den USA Social Media intensiver als Ideenlieferant für neue Storys nutzt als TV-Journalisten … Sie folgerten, es sei sehr wahrscheinlich, dass das Fernsehen auch durch den konstanten Import von Social-Media-Inhalten zu einer Plattform für Sensationen und Polarisierung geworden sei. Isomorphismus wird dieser Prozess in der Forschung genannt – die sukzessive Anpassung der einen Institution an die dominante Logik einer anderen.
Christian Bartels, MDR Altpapier, 25.02.2020 (online)