Kunst war bisher Platzhalter des Offenen, des ganz Anderen. Kunst war Aufmerksamkeitsmotor für Leerstellen, für Unerfülltes, für noch zu leistendes, Utopisches. Kunst war symbolische Repräsentation des Nichts; sie war Platzhalter und Medium des Nicht-Identischen. […]
Mitunter gewinnt man den Eindruck, dass das, was nun im Rahmen der neuen Normierung der Künste durch Skandalisierung ihres alten widerständigen Kerns stattdessen gefordert wird, eine Art neuer sozialistischer Realismus ist.
Man wünscht sich eine Kultur, die den „Neuen demokratischen Menschen“ abbildet, den „Arbeiter an der Wokeness“, den Arbeiter an der idealen Gerechtigkeit. Kultur darf nicht länger Sand im Getriebe sein. Kultur soll nur noch Schmiermittel der immer geölter und schneller schnurrenden Gesellschaftsmaschine sein.
Rüdiger Suchsland, Telepolis, 24.9.2022 (online)