Feministinnen in den Sphären der darstellenden Künste, die zugleich offen sind für den identitätspolitischen Diskurs und dabei den Kulturrelativismus nicht scheuen, fordern seit Jahren eine Engführung von “Spielen” und “Sein”. So sollten bitte im Fernsehkrimi Migrantinnen auch von Migrantinnen verkörpert werden, und behinderte Personen dürften niemals von Nicht-Behinderten gespielt werden, es gebe auch unter SchauspielerInnen genügend Menschen mit Beeinträchtigungen, die für solche Rollen besser oder überhaupt geeignet seien. Inzwischen dehnen diese Aktivistinnen ihre Forderungen nach “Authentizität” auf die Felder Produktion, Regie und Drehbuch aus. Wer das, was er spielt oder inszeniert oder produziert, nicht zumindest teilweise auch ist, habe kein Recht darauf, seine Stimme zu erheben.
Das Problem dabei: Spielen ist nicht gleich Sein. Obschon “Sein” auch “Spielen” ist. Sie ist kompliziert, die Sache mit dem “Sein” und dem “Spielen” – eines aber ist ganz einfach: Spielen können alle alles. Sein indessen kann jedes Individuum nur für sich. Zur Voraussetzung für gutes Spielen aber gehört nicht, dass die Spielenden das, was sie darstellen, “sind”, eher im Gegenteil.
Barbara Sichtermann, turi2.de, 21.05.2024 (online)