Zitiert: Sprachpolitik in den Wahlprogrammen zur Bundestagswahl

Sprachpolitik war in Deutschland seit 1949 nie ein großes Thema in Wahlkämpfen. Seit 2017 sieht dies anders aus. Und in diesem Jahr ist über fast alle Bundestagsparteien hinweg ein weiterer Anstieg zu verzeichnen, verbunden mit einer Ausdifferenzierung der Themen. Um welche Themen geht es, und was hat das für Gründe? ….

Interessanter als diese quantitativen Beobachtungen sind die inhaltlichen Schwerpunktsetzungen, die von den Parteien vorgenommen werden. Exklusiv werden nur wenige Positionen vertreten, Deutsch ins Grundgesetz, die Deutsch-Kompetenz medizinischen Fachpersonals und die Forderung nach mehr Deutsch in den Institutionen der EU bei der AfD, die Förderung von Sprachtechnologie als Zukunftsfeld bei der CDU. ….

Das Thema Gendern lässt in diesem Wahlkampf kaum eine Partei unberücksichtigt. Einige äußern sich explizit dazu, andere zeigen durch ihre sprachliche Praxis, welchen Weg sie für den besten halten. In den Wahlprogrammen von drei Parteien – den Grünen, der Linken und der SPD – wird der Genderstern verwendet, am konsequentesten von den Grünen und von der Linken. Personenbezeichnungen werden hier gegendert, und zwar nicht nur die positiven. Neben den Vermieter*innen, den Rentner*innen und den Arbeiter*innen lassen sich auch Spekulant*innen, Islamist*innen und Kriegsverbrecher*innen finden. Die SPD gendert weniger konsequent, negative Personenbezeichnungen wie Populisten oder Terroristen finden sich häufiger nur in der männlichen Form. Die sprachliche Praxis des Genderns wird nur von der Linken als sprachpolitische Position reflektiert. ….

Sprachpolitik scheint damit in allen Teilen des politischen Spektrums zu einem Querschnittsthema geworden zu sein, mit dem in beispielhafter Weise komplexe Politikbereiche erschlossen werden können. Wird Sprache dabei nur instrumentalisiert, ist das nichts, worüber man sich freuen kann. Vielmehr sollten wir alle darauf achten, dass die deutsche Sprache nicht im Mahlwerk allgemeinpolitischer Auseinandersetzungen zerrieben wird.

Henning Lobin, scilogs, 20.9.2021 (online)

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)