Zitiert: tagesschau.de – Filter und grobe Fehler zum 8. Mai

Am 9. Mai schreibt der ARD-Korrespondent in Moskau, der erfahrene, laut Wikipedia seit 1997 beim WDR fest angestellte Journalist Björn Blaschke, zu jener Zeit in Tiflis stationiert, Folgendes auf tagesschau.de, unter der Überschrift „Putins Parade – Putins Propaganda“: „(…) 1945 war das Ende des Zweiten Weltkriegs zuerst am 8. Mai im Hauptquartier der US-Truppen im französischen Reims besiegelt worden. Dann wurde die Zeremonie der deutschen Kapitulation auf sowjetischen Wunsch im Hauptquartier der Roten Armee in Berlin Adlerhorst (sic!) am 9. Mai (sic!) wiederholt. Seither erinnert Russland (sic!) an diesem Tag an die bedingungslose Kapitulation Deutschlands (…).     Björn Blaschke“

Mal abgesehen von der sehr deutlich Putin-kritischen Rahmung (Framing): Kein Wort (mehr) davon, dass die Hauptlast der Zerschlagung des Nazi-Regimes die Sowjetunion zu tragen hatte, insbesondere deren Menschen und deren Truppen.

Und in diesem Rahmen dann innerhalb von anderthalb Sätzen gleich drei glasklare Fehler, die jedem Faktencheck oder Faktenfuchs (oder auch nur einem einfachen Redigieren) hätten auffallen müssen, sofern es um Sachlichkeit und Objektivierung geht: In Berlin gibt es einen Stadtteil „Adlershof“, und es gibt vielleicht sogar in Berlin hier und da einen „Adlerhorst“ auf einem Baum.

Zum Beispiel aber weiß jedes Kind aus DDR-Zeiten und auch sonst sicher fast jeder Mensch nicht nur in Berlin, dass es hier natürlich um Berlin-Karlshorst geht. Dort begann am späten Abend des 8. Mai die Gegenzeichnung der Kapitulationsurkunde.

In Moskau war es zu diesem Zeitpunkt wegen der zwei Stunden Zeitzonen-Differenz bereits der frühe Folgetag, der 9. Mai. Richtig ist zudem im Gegensatz zu Blaschkes Bericht, dass „seither“ (seit 1945) bis zu ihrem Ende (1991) in der gesamten Sowjetunion mit ihren 15 Teilrepubliken (einschließlich der Ukraine) dieser Feier-Tag begangen wurde, und erst seitdem dann in einigen der früheren Sowjetrepubliken als Nachfolgestaaten, wie z.B. in Russland und viele Jahre auch noch in der Ukraine.

Auch und gerade dieses Auswählen erscheint problematisch: Warum wird der Bezug auf die Sowjetunion weitestgehend weggelassen und die Formulierung stattdessen ganz deutlich auf Russland reduziert?

An diesem Beispiel lässt sich exemplarisch lernen, dass das allgemeine Framing (Rahmensetzung) eines journalistischen Beitrages, eine entsprechende Auswahl mit gewissen Einseitigkeiten auch durch Weglassen und schließlich schlichte handwerkliche Fehler kaum zu trennen sind, sondern zusammenhängen und einen solchen Beitrag in seiner Tendenz bestimmen.

Sebastian Köhler, Telepolis, 10.05.2024 (online)

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)