Wer Theater mit einem Diversitätsbeauftragten der Gesellschaft verwechselt, versteht kategorial nicht, wofür es eigentlich da ist. Das wäre nicht eine Überlastung, sondern eine Fehladressierung. Vielleicht ist in den letzten Jahren manchmal der Eindruck entstanden, dass die Politik immer mehr zum Theater wird und sich das Theater umgekehrt vor allem für Diskurs und Politik interessiert. Dieser Rollentausch zwischen Politik und Theater ist nicht hilfreich. Natürlich kann Theater auch spielerisch und eskapistisch sein. Es ist ja eine ganz heilsame Erfahrung, wenn man sich mal für zwei Stunden aus der Alltagswirklichkeit wegträumen kann. Wir haben in der Kulturpolitik in den vergangenen Jahren vielleicht manchmal den Fehler gemacht, nur zu sagen, wir fördern Diversität, Nachhaltigkeit, gesellschaftlich relevante Themen, und wenn dabei auch noch Kunst entsteht: Auch fein. Das geht stellenweise bis in die Richtlinien von Förderprogrammen, setzt aber die falsche Priorität. Natürlich ist es dringend notwendig, dass wir Diversität fördern, auf allen Ebenen. Aber das gelingt mit den Mitteln der Kunst am besten, wenn wir ihrer Kraft vertrauen: Lasst uns gute Kunst fördern, dann entsteht die Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Themen von selbst. Die meisten Künstler und Künstlerinnen haben doch von sich aus ein Interesse daran, gesellschaftliche Relevanz zu entwickeln.
Es wäre jedenfalls ein grobes Missverständnis, von einer Theateraufführung oder einer Ausstellung zu erwarten, dass sie Safe Spaces sind, die mich auf keinen Fall irritieren dürfen. Wenn wir erwarten, dass garantiert nur das moralisch oder politisch eindeutig Richtige auf die Bühne kommt, wäre das eine kunstferne Verengung.
Carsten Brosda, sueddeutsche.de, 23.01.2025 (online)