Eine vergleichsweise junge journalistische Form ist der Transferjournalismus, der seine große Zeit im Sommer und Winter erlebt, also jetzt gerade und immer dann, wenn das sogenannte Transferfenster geöffnet ist. In dieser Phase wechseln die großen Stars wie Harry Kane von Tottenham nach München. Und die Sternchen wie Nadiem Amiri wechseln von Leverkusen nach Bremen, oder sie wechseln nicht, oder sie wechseln doch. Oder doch nicht. Weil sich offenbar genügend Menschen für den Vereinswechsel prominenter Fußballer interessieren, berichten Transferjournalisten rund um die Uhr in Blogs, auf Websites, in Youtube-Kanälen. Das Palavern über Transferabschlüsse ist das, was früher der royale Klatsch in den Schmachtblättern war. Alles folgt der alten und immer wieder neuen Leitfrage: Wer kriegt wen? […]
Transferjournalismus hat sich, als Kind des vollvernetzten Spätkapitalismus, von jeder Skepsis gegenüber der Macht des Geldes längst befreit. Der Transfermarkt als Sklavenmarkt, sogar als Viehmarkt mit Menschen, als Tummelplatz windiger Spielerberater – ach, das sind doch alles nur Moraldebatten von früher, mit denen sich diese Vertreter eines neuen Sportjournalismus nicht aufhalten.
Holger Gertz, sueddeutsche.de, 01.09.2023 (online)