Zwischen Ende Oktober 1989 und April 1990 entstehen 39 neue Sendeformate für beide Programme, darunter Magazine wie Klartext (Inland), Meridiane (Ausland) Kaos (Kultur) oder Ozon (Umwelt), die Talksendungen Disput und Donnerstagsgespräch, die – bis dahin undenkbar – live bei aktiver Teilhabe der Zuschauer ausgestrahlt werden. Es gibt das Kabarettprogramm Der Scharfe Kanal und die Reihe Nachdenken über Deutschland mit Prominenten aus Ost und West. Ab dem 13. Februar 1990 wechselt Günter Gaus mit seiner Sendung Zur Person – Porträts in Frage und Antwort zum DFF. … Hat die Nachrichtensendung Aktuelle Kamera (AK) bis Mitte Oktober nicht von Protesten und Polizeiübergriffen berichtet, steht sie mit ihren Teams nun mitten im Geschehen und verbucht eine Zuschauerresonanz um die 40 Prozent. …. Sich reinigen, heißt überleben. Solange die DDR noch existierte, mochte das zutreffen. Die von ihren Belegschaften gewählten (!) neuen Chefs ermutigten mit der Versicherung, das Fernsehen/Ost müsse den Weg der Menschen/Ost in die Marktwirtschaft „begleiten“. Auch ich nahm diese Sprachregelung dankbar auf, als Leumundszeugnis, als Persilschein oder als Fahrschein welcher Klasse auch immer für einen Trittbrett auf dem Zug in „die neue Zeit“, über die man im Osten soviel weniger wusste, als man zuzugeben bereit war. Aller Vorahnung zum Trotz.
Lutz Herden, Freitag, 38/2019 (online)