Die Medienöffentlichkeit in Deutschland ist eine komplexe Landschaft. Weit entfernt davon, nur als staatsfreier Marktplatz der Ideen zu funktionieren, spielen staatlich gesetzte Regeln und öffentliche Organisationen in ihr eine bedeutende Rolle. Deutlich wird dies am öffentlichen Rundfunk: Er muss in einer komplizierten Konstruktion von den Ländern eingerichtet und durch Abgaben finanziert werden, sich gleichwohl „staatsfern“ organisieren, um eine demokratische Öffentlichkeit zu ermöglichen. Anders wird die Freiheit der Presse konstruiert: Hier soll ein Markt privater Anbieter für Vielfalt und Offenheit sorgen. Ganz ohne staatliche Regulierung kommt dieser aber nicht aus, etwa bei der Kontrolle von Fusionen. […]
Die Abschaltung von Libra schützt die Integrität des demokratischen Prozesses vor einem Presseorgan, das an der politischen Auseinandersetzung teilnahm und dabei von der Bundesregierung gesteuert werden konnte, ohne dass dies ohne Weiteres für seine Leserinnen zu erkennen war. […]
Wessen Freiheit aber schützt das Verbot von Sinn und Form? Das ist unklar. Beide Seiten der Staatsfreiheit sind kein Problem: Die Akademie ist eine politisch unabhängige sich selbst verwaltende Körperschaft mit einem gesetzlich vorgegebenen, aber offenen ästhetischen Auftrag. „Staat“ ist sie nicht mehr als eine öffentliche Universität, die sich sogar auf Grundrechte berufen kann. Der freie politische Willensbildungsprozess ist durch die Zeitschrift nicht gefährdet.
Christoph Möllers, sueddeutsche.de, 20.3.2023 (online)