Kulturschaffende, Parteigenossen, Eintopf – diese Wörter wirken harmlos, doch sie haben eine spezielle Vergangenheit. Der Autor Matthias Heine zeigt: Sie wurden geprägt in der Zeit des Nationalsozialismus. […]
Es gibt ja eine umfangreiche einschlägige Literatur, die anfängt mit Victor Klemperers „LTI“ und „Aus dem Wörterbuch des Unmenschen“ von W.E. Süskind und anderen. Beide erschienen unmittelbar in der Nachkriegszeit in den späten Vierzigerjahren und beschäftigten sich erstmals mit der Sprache des Nationalsozialismus. Die schaut man sich natürlich zuallererst an. Und dann gibt es das kaum zu übertreffende Standardwerk von Cornelia Schmitz-Berning: „Vokabular des Nationalsozialismus“. Sie weiß mehr als jede und jeder andere über nationalsozialistischen Wortgebrauch.
Ich habe mich aber bewusst – im Gegensatz zu ihr – auch für Wörter entschieden, die nicht zum offiziellen Nazi-Gebrauch gehörten, also nicht zum Mord- oder Organisations-Wortschatz, sondern eher alltagssprachliche Begriffe waren, Wörter wie „Eintopf“, „entrümpeln“ oder „Groschengrab“. […]
Wenn eine Gruppe erst einmal mit „der“ im Kollektiv-Singular angeredet wurde, dann wusste man, dass ihr Gefahr drohte. „Der“ war ein Versuch, die Individualität zu vertreiben, fast schon der Dehumanisierung. Das ist ein Phänomen sehr vieler NS-Vokabeln, dass sie die Gegner dehumanisieren.
Matthias Heine, dw.com, 19.03.2023 (online)