Es hat eine Vereinheitlichung von Form und Inhalt gegeben die auch zu einer Verflachung des Zugangs geführt hat. Markt-Player mit globaler Benennungsmacht haben Standards gesetzt: etwa National Geographic und Discovery- und History Channel, die viele Themen mit der immer wieder gleichen narrativen Form umsetzen. Grundsätzlich kann man sagen, dass die überwiegende Mehrzahl solcher TV-Dokumentationen bebilderte Texte sind, sich also nicht in erster Linie auf das Bild verlassen und das, was man darin entdecken könnte. Man verlässt sich aber auch nicht auf das, was einem die Protagonisten sagen. Sondern man verlässt sich auf den gesprochenen Text aus dem Off.
Ich will nicht leugnen, dass es Ausnahmen gibt, kluge Filme mit einer anderen Herangehensweise. Doch grosso modo haben sich bestimmte dramaturgische Konventionen etabliert, die als „professionell“ gelten und nur sehr schwer aufzubrechen sind. Viele Dokumentaristen, die an der Filmhochschule ausgebildet wurden, die ihre Arbeit ernst nehmen und die vielen anderen historisch gewachsenen Formen und Zugänge kennen, hadern damit und liegen dann nicht selten im Clinch mit den ö/r Redakteuren. Weil ihre Arbeit in eine Form gepresst werden soll, die sie aus einer informierten, künstlerischen Perspektive heraus oft gar nicht wollen. Sich da selbst treu zu bleiben ist fast unmöglich, weil das Oligopol der ö/r Auftraggeber kaum zu überwinden ist. Wenn es gelingt, dann meiner Wahrnehmung nach eigentlich nur beim langen, unformatierten Dokumentarfilm.
Thorolf Lipp, Planet Interview, 02.12.2020 (online)