Jedesmal, wenn man an einem Werktag zum Feierabend nach Hause kommt, läuft im Ersten Programm der ARD ein Krimi oder ein Quiz. Krimi und Quiz, das lieben sie bei der ARD, denn sie lieben Quoten. Und deshalb lassen sie sich ihren quotenbringenden Programmfluss nur ungern stören. So ist er, „unserer gemeinsamer, freiheitlicher Rundfunk ARD“. Quiz und Krimi, Krimi und Quiz. Fast alles andere: Ab ins Spätprogramm.
Wenn man an einem Montagabend bei Twitter liest, dass in Paris die Kathedrale Notre-Dame brenne, ist das zunächst erst einmal kaum zu glauben. …. Am Abend dieses 15. April, als in Paris Notre-Dame in Flammen stand, waren die ARD-Oberen mit illustren Gästen der Handelskammer Hamburg zusammenzukommen, um das von der ARD konstruierte Jubiläum „70 Jahre öffentlich-rechtlicher Rundfunk“ zu feiern. Mit dabei war auch Kai Gniffke, Erster Chefredakteur von ARD-aktuell, damit verantwortlich für die „Tagesschau“ und gerade Kandidat für das Intendantenamt beim SWR. Hat der Mann von seinen Mitarbeitern keine Mitteilung zum Notre-Dame-Brand auf sein Smartphone erhalten? Hätte er nicht die Hebel für eine umfangreiche aktuelle Berichterstattung in Bewegung setzen können? Und wenn er eine Mitteilung bekam und nichts geschah – umso schlimmer.
Offenbar herrschten hier indolente Schlafmützigkeit und Aktivitätslosigkeit vor. In diesem Dämmerzustand befindet sich insgesamt der öffentlich-rechtliche Rundfunk nach 70 Jahren mehrheitlich durchaus segensreicher Existenz. Und da braucht es etwas mehr medienpolitische Aktivität als die Tweets eines in diesem Fall zu Recht verärgerten nordrhein-westfälischen Regierungschefs (der auch Länder-Koordinator für die deutschen-französischen Beziehungen ist), um diesem System noch eine nachhaltige Vitaminkur zu verabreichen.
Dieter Anschlag, medienkorrespondenz.de, 17.04.2019 (online)