Wir haben im vergangenen Jahr den Versuch des kollektiven Beschweigens eines brutalen Machtmissbrauchs gegenüber Frauen in der Medienbranche erlebt. Es war unerträglich, weil es die Leiden der betroffenen Frauen noch vergrößert, das geschehene Unrecht verstärkt und auch weil es unsere Branche beschmutzt. Die Herren an der Spitze unseres Zeitungsverlegerverbandes wollten sich nicht so gerne in ihrer routinierten Tagesordnung stören lassen und schwiegen. Spätestens da ist klar geworden, dass der Verband dringend einer Erneuerung bedarf: einer Erneuerung vor allem der Kultur und führenden Köpfe, aber auch der Strukturen.
Wir hätten uns ein paar mehr Stimmen von Branchenvertreterinnen und -vertretern gewünscht, die das Bedürfnis haben, den Machtmissbrauch und seine Hintergründe zu benennen und – soweit das überhaupt geht – wiedergutzumachen. Und wir hätten uns auch ein paar größere Schritte in der Reform des Verbandes, die wir nicht nur eingefordert, sondern auch initiiert und intensiv vorangetrieben haben, erhofft. Stattdessen erlebten wir ein unerträglich lautes Schweigen. Wir haben bei Funke die Konsequenzen gezogen und sind ausgetreten.
Ich bin fest davon überzeugt: Nur durch offene Kommunikation können wir die Sensibilität für Machtmissbrauch von Männern gegenüber Frauen schärfen. Und nur durch tätige Solidarität mit den betroffenen Frauen können wir den Machtmissbrauch stoppen. Wir haben wahnsinnig viel zu tun. In der Medienbranche, und in unserer gesamten Gesellschaft.
Julia Becker, sueddeutsche.de, 3.2.2023 (online)