Je länger wir den Verantwortlichen bei Funk zuhören, desto mehr drängt sich uns der Eindruck auf, dass der Verweis auf das Zielpublikum ein Ausweichmanöver ist. Jugendliche Nutzungsgewohnheiten, genauso wie der Sendeauftrag werden immer wieder schützend vorgeschoben, um einer inhaltlichen Beurteilung der produzierten Formate zu entgehen. Sicherlich ist es richtig, hervorzuheben, dass Jugendliche andere Interessen, Erwartungen und vermutlich auch Aufmerksamkeitsspannen haben, als klassische Journalismusformen bedienen. Eben dafür wurde der Sender gegründet. Aus dieser offen formulierten Aufgabe nun allerdings genau die in der Studie festgestellte „Wirklichkeitskonstruktion“ abzuleiten, bedarf schon einer klareren Begründung. Und wir fragen uns bei alldem: Kommt den Funk-Machern nicht in den Sinn, dass sich junge Leute auch kritisch gegenüber ihrer eigenen Alterskohorte verhalten können? Weshalb können Distanz und Zurücknahme nicht auch für jugendliche Internetnutzer einen erkenntnisfördernden Mehrwert hervorbringen? Auf solche Fragen geben Sinus-Milieustudien und Nutzerbedürfnisanalysen keine Antwort.
Tobias Schweitzer, faz.net, 10.06.2023 (online)