In der vordigitalen Welt konnte man sich noch übers Telefonbuch beugen und nach – sagen wir – „besonderen“ Nachnamen Ausschau halten, um sich dann mit seinen unreifen Freunden auf einen Anruf-Klingelstreich zu verständigen. Der war in der harmlosen Variante bestenfalls blödsinnig.
In den Chats und Foren der digitalen Neunzigerjahre setzte sich das Spiel mit vorgetäuschten Identitäten fort. Man konnte alles sein, jedes Geschlecht, jedes Alter, berühmt oder unergründlich, man war ja sicher an seiner Tastatur, anonym wie am Hörer, nur dass jetzt nicht einmal das Kichern der herumsitzenden Teenager zu hören war. Und man war unheimlich gespannt darauf, wie der, der da auf der anderen Seite saß, reagierte.
Dann kam Youtube. Und mit Youtube war plötzlich all das zu sehen, was bis dahin verborgen blieb.
Elena Witzeck, faz.net, 19.12.2022 (online)