Zitiert: Was Filmeditoren bewirken

Früher hießen sie „Cutter“ oder „Kleberinnen“. Heute werden sie als Filmeditoren wertgeschätzt. … Editoren bergen Biographien, retten Geschichten vor dem Verschwinden, geben komplexen gesellschaftlichen Entwicklung Gesicht und Stimme. …

Was machen sie eigentlich? Sie sichten und ordnen das Material, das können hunderte Stunden Neudreh- und Archivmaterial sein, sie riechen, tasten, schmecken, fühlen, wo eine Geschichte steckt, eine Emotion, ein Gesicht, eine Aura oder eine Energie, die heraussticht. Editoren sind also dünnhäutig im besten Sinne, sie wittern den Goldgehalt eines Bildes. Zugleich heben sie das einzelne Bild, das Frame, in einen Rhythmus, einen dramaturgischen Bogen, sie tanzen im Sitzen mit Auge und Finger.

Ich war höchst erstaunt, dass Editoren selbst oft die Musik anlegen, den Komponisten (wenn es welche gibt) instruieren und oft von Anfang an Musik, aber auch Ton, Sound, Geräusch als integrale Filmbestandteile denken. …

Man skizziert eine Bildstrecke, der Editor skizziert sie auch. Wir prüfen tänzerisch: Hat das Kraft? Schwingt das? Hat das Rhythmus? Dient es der Geschichte? Dient es den anderen Künsten wie Kamera, Musik, Ton? Und gleichzeitig überlegen wir, dient dieser Schnitt, diese Perspektive dem Interviewpartner? …

Jeder, der einen Tag im Schnittraum verbrächte, würde fortan ein Wort wie „Lügenpresse“ meiden, denn er würde erkennen, dass sich die Wirklichkeit nie einem noch so manipulativen Willen vollständig unterwirft. Insofern ist die Tätigkeit der Editoren auch eine eminent politische, denn sie sind letztlich Anwälte der Vielschichtigkeit und helfen uns im medialen Echoraum Geschichten multiperspektivisch zu denken und zu fühlen.

Torsten Körner, tagesspiegel.de, 26.6.2022 (online)

Onlinefilm.org

Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
Out of Space
Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)