Die Angst vor Fake News ist mindestens so gefährlich für die Demokratie ist wie die tatsächliche Verbreitung von Fake News
In dem Interview sagt Hoffmann über gezielt eingesetzte Desinformation, die bisherige Forschung zeige, „dass diese Form der Desinformation wenig Resonanz“ erziele. Die vorliegenden empirischen Daten legten etwa nahe, dass Desinformation bei der Wahl von Donald Trump im Jahr 2016 „kaum oder keine nachweisbaren Effekte auf die Wahlentscheidung“ gehabt habe.
Auf den Einwand von Christian Meier, der das Interview führt, die öffentliche Debatte, die Warnungen von Politikern und neue EU-Gesetze vermittelten einen anderen Eindruck, sagt Hoffmann:
„Die Berichterstattung und die Politik haben sich bei diesem Thema leider sehr weit vom Forschungsstand entfernt, sie betreiben zum Teil eine Emotionalisierung bis hin zur Panikmache. Ich vertrete darum mittlerweile die These, dass die Angst vor Fake News mindestens so gefährlich für die Demokratie ist wie die tatsächliche Verbreitung von Fake News.“
Eine ganze Reihe von empirischen Befunden dringe nicht durch, sagt Hoffmann. Er benennt konkret fünf Punkte:
1. Weniger als ein Prozent dessen, was Nutzerinnen und Nutzer im Netz sehen, habe mit Desinformation zu tun.
2. Die Menschen informierten sich weiter mehrheitlich über seriöse Nachrichtenquellen.
3. Untersuchungen belegten, dass die meisten Menschen die Qualität von Quellen gut einschätzen könnten.
4. Menschen seien zudem sehr skeptisch gegenüber Informationen aus sozialen Netzwerken.
5. Falschmeldungen würden von wenigen Menschen geteilt, und wer sie teile, wisse in der Regel, dass der Inhalt nicht stimme.
Man könne also zu zwei Schlüssen kommen:
1. Es lasse sich kaum nachweisen, dass Fake News Menschen tatsächlich überzeugen.
2. Interventionen gegen Fake News hätten kaum eine Wirkung, denn es gebe kaum etwas einzudämmen. …
Die öffentliche Aufmerksamkeit für Desinformation schade also dem eigentlichen Interesse. Und Hoffmann sagt:
„(…) wir wissen nicht, ob soziale Medien die Polarisierung anheizen oder ob die Polarisierung einfach dazu führt, dass die Leute sich gehässiger in sozialen Medien verhalten. Das ist bisher nicht nachgewiesen.“
Christian Hoffmann in welt.de, 14.9.2022, zitiert in MDR Altpapier, 16.9.2022 (online)