Es war Dezember 2020 als die ProSiebenSat.1 Media SE ihre Kehrtwende beim Journalismus ankündigte: Mit dem Aufbau einer eigenen Infrastruktur in Unterföhring wolle man das journalistische Angebot wieder inhouse produzieren, um der Sendergruppe aus eigener Hand wieder mehr journalistisches Gewicht zu geben. Eine Kehrtwende, da man sich genau zehn Jahre zuvor mit dem Verkauf des Nachrichtensenders N24, heute Welt, unter dem damaligen CEO Thomas Ebeling vom vermeintlich wenig profitablen News-Geschäft verabschiedet hatte. […]
In der Außendarstellung ist die Informationsoffensive des Hauses dem nicht zu überhörenden Joyn-Fokus gewichen: Die „Joyn-Relevanz“ ist oberste Prämisse bei allen Programminvestitionen, erklärte in Düsseldorf auch noch einmal der Chief Content Officer des Hauses, Henrik Pabst. Gemeint ist Verwertbarkeit von linearen Programmen im Non-Linearen. Keine Präsentation aus dem Hause ProSiebenSat.1 kommt mehr ohne diese Maxime aus.
Und das geht nicht immer mit dem Journalistischen zusammen. Die Verwertbarkeit aktueller Informationsprogramme auf Abruf ist begrenzt, was einerseits das Aus von „Akte“ und „ZOL“ erklärt – und andererseits die Investition in längere Reportage-Formate wie „Ronzheimer“ bei Sat.1 oder die Filme von Mischke und Jenke für ProSieben. Diese mitunter sogar preisgekrönten Reportagen entstehen aber oft in Auftrag und damit abseits des Aufbaus einer mehr als 60-köpfigen Redaktion in Unterföhring, die sich nach Einstellung aller regelmäßigen Primetime-Informationsprogramme der Gruppe also vorerst auf „Newstime“ fokussiert. Umso wichtiger, dass das längst fertige, neue Studio möglichst bald auf Sendung gehen kann.
Thomas Lückerath, dwdl.de, 19.06.2024 (online)
Der Programmanteil der „Journalistischen Information“ ist bei Sat.1 von 15,4% (2019) auf 19,2% gestiegen. Bei ProSieben stieg dies von 11,5% auf 18,1%. (Angela Rühle: Programmprofile von Das Erste, ZDF, RTL, Vox, Sat.1 und ProSieben. Media Perspektiven 12/2024 (online)