Neutralität ist vielfach ein nobles Ziel, denn sie braucht Selbstreflexion und Disziplin. Aber wenn die Demokratie und der Journalismus attackiert werden, dann sollen die Bürger einer demokratischen Gesellschaft und die Medien inhaltlich nicht neutral sein. … Neutralität wird dann zum Problem, wenn sie falsche Ausgewogenheit fördert: zwei Positionen als gleichwertig einstuft und darstellt, obwohl sie das nicht sind. …. Objektivität im Journalismus hat unterschiedliche Bedeutungen. Mit einigen habe ich kein Problem, mit anderen schon. Wenn Objektivität heisst, die Kultur, mit der du aufgewachsen bist, zu verlassen, um andere Blickwinkel einzunehmen, dann ist sie gut. Wenn Objektivität heisst, die eigenen Scheuklappen zu kennen, dann ist sie gut. Wenn Objektivität heisst, die eigene Berichterstattung auf verifizierte Fakten zu stützen, dann ist sie gut. Aber wenn Objektivität heisst, die Unterstützer sagen das, die Kritiker dies, und ich habe keine Ahnung, was die Wahrheit ist, dann habe ich damit ein Problem.
Jay Rosen, republik.ch, 27.07.2019 (online)