Zitiert: Wenn Vereinsrecht Presserecht aushebelt

Die Pressefreiheit ist ein geschütztes Gut. Nur leider lässt sich diese Grundsäule einer freien Gesellschaft auch aushebeln. Das hat sich bereits vor Jahren gezeigt, als das Bundesinnenministerium einfach so ein Medium verbot. Aktuelle Entwicklungen bei Radio Dreyeckland zeigen nun: Das Problem ist bis heute nicht behoben. Und kaum jemand scheint sich für diese gefährliche Sicherheitslücke des Rechtsstaats zu interessieren. […]

Formal richtete sich das Verbot nicht gegen das Medium, sondern gegen das lose organisierte Kollektiv hinter Linksunten, das das Innenministerium als Verein definierte und illegalisierte: „Der Verein ,linksunten.indymedia’ läuft nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider und richtet sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Der Verein ,linksunten.indymedia’ ist verboten und wird aufgelöst.“ So hieß es in der Verfügung des Innenministeriums, die sich auf Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 3 des Vereinsgesetzes berief. Dass Linksunten kein Verein im rechtlichen Sinne war, spielte keine Rolle. […]

Wie sich der Schutz von Pressefreiheit und Vereinsrecht zueinander verhalten, ist bis heute nicht geklärt. Eine Klage gegen das Verbot wies das Bundesverwaltungsgericht 2022 aus formalen Gründen ab. Das Bundesverfassungsgericht nahm eine Beschwerde dagegen ein Jahr später nicht an und schrieb in der Begründung: „Über die Frage, welche Grundrechte diejenigen schützen, die ein wie hier organisiertes Internetportal betreiben, ist damit nicht zu entscheiden.“ […]

„Grundsätzlich kann das Vorgehen des BMI auch auf andere Medien übertragen werden.“ Ob diese, wie oft, als Aktiengesellschaften oder GmbHs organisiert sind, spiele keine Rolle: „Auch Kapitalgesellschaften können Vereine im Sinne des Vereinsgesetzes sein.“ […]

In der deutschen Rechtsordnung gibt es also eine Hintertür, mit der sich eine Grundsäule des Rechtsstaats aushebeln lässt. Über ein wenig aufregend erscheinendes Gebiet namens Vereinsrecht lässt sich die Pressefreiheit hacken. Diese „Sicherheitslücke“ sollte dringend geschlossen werden.

Stefan May, verdi.de, 21.08.2023 (online)

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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