Seine zentrale Einsicht ist es, Plattformen vor allem als neues Regulierungsprinzip zu begreifen, das in zunehmendem Maße an die Seite von und in Konkurrenz zu Nationalstaaten tritt. Diese beiden seien vergleichbar, denn „Staaten beherrschen Territorien und organisieren Menschen darauf über den Zugriff auf ihre Körper. Plattformen hingegen beherrschen Graphen [Beziehungsmuster] und organisieren Menschen über den Zugriff auf ihre Verbindungen.“ Entsprechend sei die ultimative Strafdrohung des Staates die Zwangsverwaltung des Körpers im Gefängnis, die ultimative Strafdrohung der Plattformen der Ausschluss und damit die Trennung aller darauf aufgebauten Verbindungen. …. Es ist eine der großen Stärken von Seemanns‘ Buch, zwischen der strukturellen und politischen Analyse des Phänomens Plattform zu unterscheiden und damit die Frage der Regulierbarkeit sehr viel präziser stellen zu können, als dass dies in der Diskussion um „Geistiges Eigentum“ oder „Fake News“ zumeist geschieht. Wenn man Plattformen als Regulierungsinstanzen sieht, dann stellt sich die Frage, wie der Staat solche neuen Regulierer regulieren kann. So schlägt Seemann vor, dass Regulierung für mehr Konkurrenz, Transparenz und Interoperabilität sorgen sollte. Letzteres bedeutet, dass es zum Beispiel möglich sein soll, von einem Messenger-Dienst Nachrichten zu einem anderen schreiben zu können. Schlechte Regulierung schafft ansonsten das Paradox, dass hoheitliche Aufgaben von der öffentlichen Hand an Private übertragen werden und der Regulierte dadurch noch mächtiger wird.
Felix Stalder, zeit.de, 03.07.2021 (online)