Zitiert: Wie die BBC dem politischem Druck Stück für Stück nachgibt

Noch ist Großbritannien von Zuständen wie in Ungarn oder Polen weit entfernt, aber vieles erinnert eben dennoch an die Anfänge eines Orbán oder eines Kaczyński. Das systematische Bestreben, die Kontrollorgane der Exekutive auszuschalten, ist inhärent autoritär und trifft neben der Justiz in den Anfangsstadien solcher Entwicklung immer besonders die Medien. Auch dies sehen wir in Großbritannien.

Nachfolgende Generationen werden sich fragen, wie es geschehen konnte, dass ein schamlos die Wahrheit verdrehender Premierminister damit in einer der ältesten westlichen Demokratien so einfach durchkam. Die Antwort auf diese Frage ist komplex, eine große Rolle aber spielen die britischen Medien, die ihrer eigentlichen Aufgabe, die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen, immer seltener nachkommen. Der allergrößte Teil der britischen Presse fiel schon vor dem Brexit-Referendum als Korrektiv so gut wie völlig aus. …. Bis heute sind der britischen Presse die zahlreichen Lügen der Johnson-Regierung deshalb nur selten eine Schlagzeile wert.

Anders war das zu Beginn der Brexit-Kampagne noch bei der BBC, die ihrer Rolle als kritisches Gegenüber der Politik zu dieser Zeit weitgehend ernsthaft nachkam. Das aber sollte sich bald ändern. Die Lügen der Brexiteers wurden von ihr immer seltener entlarvt oder auch nur angesprochen, stattdessen gab man ihnen und den Brexit-Gegnern jeweils die exakt gleiche Sendezeit. Eine Methode, die als false balance in die Mediengeschichte eingehen dürfte und die dazu führte, dass Johnson und seine Mitstreiter ihre irreführenden Behauptungen im Wesentlichen unkorrigiert verbreiten konnten.

Hatte die BBC-Führung gehofft, mit dieser Strategie unbeschadet dem zunehmenden Druck der Tories in der aufgeheizten Phase rund um das Referendum zu entkommen, wurde sie bald eines Besseren belehrt. Nur zwei Tage nachdem Boris Johnson im Dezember 2019 die Parlamentswahl gewonnen hatte, begann sein Regierungsapparat aus allen Rohren gegen den Sender zu feuern. Der Finanzminister erklärte, man müsse den „Zwangscharakter“ der BBC-Gebühren neu überprüfen. Johnson selbst hatte bereits im Wahlkampf gefragt, ob die BBC nicht privatisiert werden solle, nun setzte die Kulturministerin nach. Das markierte den Auftakt einer Kampagne gegen den Sender, die bald deutlich schriller wurde als viele der vorherigen. Und so folgten den öffentlichen Drohungen dann auch sehr schnell konkrete Schritte. ….

Selbst die schwachen Kontrollgremien mit ihren begrenzten Möglichkeiten will die Johnson-Regierung nun „auf Kurs“ bringen. Der neueste Coup in diesem Zusammenhang ist die Benennung von Paul Dacre als Chef der Medienaufsichtsbehörde Ofcom. ….

Die unablässigen Drohungen der Regierung haben ihre Wirkung jedenfalls bereits entfaltet. Die BBC ist schon jetzt spürbar vorsichtiger und ängstlicher geworden, wenn sie über die Johnson-Regierung berichtet. Als beispielsweise Emily Maitlis, die bekannte Moderatorin der BBC-Newsnight, sich zu Beginn einer Sendung im Mai 2020 kritisch zu Johnsons damaligem Chefberater Dominic Cummings äußerte, der dabei erwischt worden war, wie er die von ihm selbst eingeführten Lockdown-Regeln brach, wurde sie dafür abgemahnt. Die BBC-Geschäftsführung entschuldigte sich bereits am nächsten Morgen in einem öffentlichen Statement für Emily Maitlis und ihre Kritik. Mit ihr selbst oder der Redaktionsleitung hatte niemand gesprochen.

Annette Dittert, Blätter für deutsche und internationale Politik 07/2021 (online)

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