Integration entsteht nicht durch Bekenntniszwang oder die Verpflichtung auf eine undefinierbare Leitkultur. Sie entsteht durch eine gemeinsame Sprache und gemeinsame Bilder. Beides bereitzustellen, ist die tägliche Aufgabe von Massenmedien. Dazu müssen sie in der Lage sein und in diese Lage müssen sie versetzt werden. Das haben sie den sozialen Medien noch immer voraus. Und das hat seinen Preis. Der, solange man von Rundfunk redet, noch immer bescheiden ist. Es kann ja sein, dass ein so sinnvolles Zukunftsprojekt wie ein Medienhaus eines Tages wirklich realisiert wird. Und das Fernsehen unter dem Dach dieses Hauses wohnt. Aber es sollte dann nicht ein Fernsehen sein, das seine Möglichkeit aus finanziellen Gründen, dehydriert und mit Atembeschwerden geplagt, nicht mehr wahrnehmen kann.
Fernsehen und Medienpolitik koexistieren auf der komplizierten Basis einer Doppelbindung. Jeder ist der Kontrolleur des anderen und wird zugleich vom anderen kontrolliert. Diese Doppelbindung lädt zu Machtproben ein. Ein Fingerhakeln zwischen beiden scheint so überflüssig wie schier unvermeidlich. Im Zweifel handelt es sich um einen Konflikt zwischen dem angeblichen Willen des Volkes und dem tatsächlichen Willen der Verfassung. Das Bundesverfassungsgericht hat auch in diesem Fall die Zuständigkeit, den Konflikt zu lösen. Doch kann man so lange warten?
Norbert Schneider, epd medien, 23.01.2024 (online)