Alles, was Sie von Ihrem Korrespondenten aus Moskau lesen, unterliegt keinerlei Zensur. Niemand in Moskau kontrolliert meine Artikel, niemandem muss ich sie vor Veröffentlichung vorlegen. Ich recherchiere, schreibe, der Text geht nach Wien und wird dort redaktionell bearbeitet und veröffentlicht. Ganz normaler Journalismus eben.
Wir Auslandskorrespondenten sind in Russland akkreditiert, haben aber keinen diplomatischen Status. Selbstverständlich müssen wir die Gesetze des Landes einhalten und respektieren. Wir unterliegen aber diplomatischen Spielregeln. Und eine dieser Spielregeln ist nach russischer Lesart das Quid pro quo.
Wird ein in Österreich akkreditierter russischer Korrespondent ausgewiesen, aus welchen Gründen auch immer, so muss ein in Russland akkreditierter Journalist, in diesem Fall eine Journalistin des ORF, das Land verlassen. Die russischen Behörden machen das schematisch, mit der jeweiligen Person oder gar mit deren Reputation hat das nichts zu tun. Auch nicht mit der Frage, ob man sich eventuell unbeliebt gemacht hat oder nicht. Auch meine Akkreditierung kann jederzeit widerrufen werden. Das ist Berufsrisiko. Und unvermeidlich. […]
Tatsache ist aber: Seitens der russischen Behörden wird die Berichterstattung selbst nicht behindert, nicht zensiert.
Jo Angerer, derstandard.at, 11.06.2024 (online)