Wenn man sich mit Bildphänomenen beschäftigt, hat man es nicht nur mit der Optik zu tun. Bilder oder Videos lassen sich nur dann begreifen, wenn man neben ihrer Produktion und Rezeption auch die technischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Infrastrukturen untersucht, in denen sie gezeigt, angesehen und verbreitet werden.
Da sich große Bereiche der visuellen Kultur, von der Werbung bis zur Kunst, in die sozialen Medien verlagert haben, sieht es nicht nur rosig aus. Spätestens seit Elon Musk Twitter mal eben gekauft und umbenannt hat, dürfte deutlich geworden sein, dass wir den privaten Unternehmen letztlich ausgeliefert sind. Sie benutzen zudem unsere kulturellen Energien und Daten, um ihre Produkte zu verbessern und die ohnehin vorhandenen Abhängigkeiten zu festigen. Das ist eine Gefahr für demokratische Rechtsstaaten, für die noch keine Lösung gefunden wurde.
Wir können aber auch beobachten, dass dieselben Infrastrukturen nicht nur Fluch, sondern auch Segen sind. Digitale Plattformen haben es ermöglicht, dass der gesellschaftliche Diskurs pluraler geworden ist. Mehr Menschen als jemals zuvor können sich mit Videos und Bildern ausdrücken, kreativ und aktivistisch tätig werden – nur so kann man einer Gesellschaft, die immer heterogener wird, auch gerecht werden.
Annekathrin Kohout, Wolfgang Ullrich, berliner-zeitung.de, 10.09.2023 (online)