Beim beobachtenden Dokumentarfilm geht es darum, das Gezeigte für sich sprechen zu lassen. Es gibt keine Einordnung über die Bilder hinaus: Keine Stimme aus dem Off, keine Kontextualisierung und wenig Informationen zum Gezeigten.
Welcher wahnwitzige Regisseur würde versuchen, dieses Dogma ausgerechnet auf die AfD anzuwenden? Im Umgang mit der extrem rechten Partei gilt doch: Kein rassistischer AfD-Wortfetzen ohne Einordnung, kein Bericht ohne Kontextualisierung. Und erst recht kein anderthalbstündiger Dokumentarfilm ohne jeden Kontext! Oder?
Gleich zwei solcher Dokus laufen aber nun in den Kinos: Heute startet „Eine deutsche Partei“ von Simon Brückner. Bereits zu sehen ist „Volksvertreter“ von Andreas Wilcke. Beide begleiteten AfD-Politiker über mehrjährige Zeiträume. Beide belegen mit ihren Filmen die Stärke des Genres der beobachtenden Dokumentation. …
Der angesichts von mutmaßlich tonnenweise Rohmaterial minutiösen und mutigen Arbeit der Regisseure ist zu verdanken, dass das funktioniert. Denn natürlich findet durch die Auswahl von Szenen eine Einordnung statt. Nur sargt die AfD sich hier halt selbst ein.
Gareth Joswig. taz.de, 16.6.2022 (online)