Nehmen wir an, eine demokratische Gesellschaft wollte sicherstellen, dass sich die Menschen, die in ihr leben, miteinander verständigen können, dass alle Regionen, alle sozialen Gruppen unabhängig informiert werden über die Welt, in der sie leben, dass also das Wissen über die ökonomischen, kulturellen, ökologischen, politischen Bedingungen ihrer Gegenwart vermittelt wird, dass sie beteiligt werden an der Auseinandersetzung über Gesetze und Regeln, über Bilder und Begriffe, die ihr Zusammenleben regulieren – und sich so ein Gespräch ergibt, das die Demokratie bestätigt und vertieft.
Das wäre eine ausgezeichnete Idee. Günstigerweise ist sie ausbuchstabiert im Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien, der die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks definiert. In der aktuellen Version, die seit Mai 2019 gilt, heißt es in Paragraf 11: die Angebote sollten als „Medium und Faktor des Prozesses freier und öffentlicher Meinungsbildung (…) wirken“ und, etwas später, „die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt (…) fördern“. Hervorragend. Ungünstigerweise scheinen die Vorgaben meist genau dann vergessen zu werden, wenn wieder eine jener Gesprächssendungen geplant wird, die neudeutsch als politischer „Talk“ (das „Show“ wird häufig verschluckt) bezeichnet werden.
Carolin Emcke, sueddeutsche.de, 05.07.2019 (online)