Natürlich gibt es jetzt noch die Talkshows. Aber das, was wir für digitale Vielfalt halten, ist in Wirklichkeit eine optische Täuschung. Bei der Betrachtung der tatsächlichen Nutzungsdauer aller Inhalte ist der Anteil am Konsum journalistischer Medien mikroskopisch klein. Ich beschreibe das als einen Prozess der Austrocknung. Es gibt momentan noch zwei unterschiedliche Formen der Mediennutzung: die Nutzung der analogen Medien und die Nutzung der digitalen Medien. Vieles spricht dafür, dass die digitalen Medien schon jetzt wichtiger sind als die analogen Medien. Wenn die Leute in Zukunft nur noch oder überwiegend digitale Medien nutzen, dann werden sie dies hauptsächlich auf den Plattformen tun. Und damit entgleitet uns die Kontrolle über unsere politische Öffentlichkeit als Grundlage unserer Demokratie. […]
Das Problem ist: Die redaktionellen Medien haben unter digitalen Bedingungen keine faire Chance, ihr Anteil an der Nutzung des Internets ist deshalb sehr gering. Die Plattformen können den Traffic, den Verkehr im Netz steuern, zum Beispiel auch auf eigene Angebote. Und dann verhungern die redaktionellen Medien mit ihren Angeboten oder mit ihren Mediatheken, völlig unabhängig davon, ob ihre Inhalte relevant sind oder nicht.
Martin Andree, welt.de, 21.08.2023 (online, Paid)