Solange der Deutschlandfunk (DLF) noch sendet, ist die Bonner Republik noch nicht ganz tot. Als Hans-Dietrich Genscher Außenminister war und Annalena Baerbock noch nicht mal mit rosa Einhörnern spielte, musste man als Interessierter m/w/d morgens den DLF hören, weil das der Leib- und Magensender in der Zeit von Helmut Schmidt und Helmut Kohl war. Nun wäre es garstig, würde man sagen, der DLF sei, so wie auch der Vorname Helmut, etwas aus der Mode geraten. Aber immerhin macht man sich in Köln tiefe Gedanken darüber, wie man den Eindruck erwecken kann, man sende immer noch auf der Höhe der Zeit. Ein probates Mittel dafür ist einerseits die Herstellung von Podcasts, die jetzt jeder und jede produzieren, weil Podcast hören nicht so anstrengend ist wie Texte lesen. Außerdem können viel mehr Menschen reden als schreiben. Andererseits wird beim DLF auch darüber nachgedacht, wen man wann duzen sollte on air. Neulich jedenfalls produzierte der DLF einen Podcast, in dem sich ein erfahrener Redakteur, der mit Vornamen Friedbert heißt, was nie so modern war wie Helmut, dafür aussprach, im Sender das sogenannte Hamburger Sie einzuführen. Der Sender solle, so die Begründung, sich nicht mehr wie 1978 anhören.
Nun ist es, wie gesagt, ein Identitätsmerkmal des DLF, dass er sich wie 1978 anhört.
Streiflicht, sueddeutsche.de, 22.05.2023 (online)