Im Koalitionsvertrag heißt es: „Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt.“ Eine staatsferne Medienaufsicht solle künftig gegen Desinformation, Hass und Hetze vorgehen – auf gesetzlicher Grundlage und „unter Wahrung der Meinungsfreiheit“. Doch was nach Schutz klingt, birgt das Potenzial zur Kontrolle: besonders dann, wenn Plattformen nicht nur haftbar gemacht, sondern aktiv in die staatliche Aufsicht eingebunden werden sollen. Eine umfassende Regulierung digitaler Meinungsäußerung rückt in greifbare Nähe.
Offenbar traut man den Bürgern nicht mehr zu, selbst zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Statt einer offenen Debatte soll künftig der Staat Fakten bestimmen. Wahrheit wird zur verwalteten Kategorie – und Widerspruch zur demokratiegefährdenden Tat erklärt. Besonders am Umgang mit sogenannten Hassbotschaften zeigt sich, wohin diese Entwicklung führen kann. […]
Zur Eindämmung unerwünschter Meinungen setzt die EU-Kommission verstärkt auf NGOs und sogenannte Fact Checker. Doch ihr Verständnis von Faktenprüfung ist fragwürdig: Statt alternative Thesen zu entkräften, wird oft versucht, oppositionelle Kräfte systematisch zu diskreditieren – unabhängig von der Faktenlage.
Ein zentrales Instrument dieser neuen Informationsordnung ist der Digital Services Act (DSA). Plattformen werden verpflichtet, „illegale Inhalte“ und „Desinformation“ schnell zu identifizieren und zu löschen. Offiziell eine Schutzmaßnahme, etabliert der DSA in Wirklichkeit eine weitreichende Zensurstruktur: Digitale Plattformen werden zu privaten Aufsichtsorganen der Meinungsfreiheit. Zusammen mit den Plänen der Bundesregierung entsteht ein System, in dem politische Instanzen zunehmend entscheiden, was gesagt werden darf – und was nicht.
Franz Becchi, berliner-zeitung.de, 20.04.2025 (online)