Über das Verhältnis zwischen „Ost“ und „West“ sprach Bahr auch am 3. Dezember 2013 mit 45 Gymnasiast*innen in der „Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte“ in Heidelberg. … Bahrs tagesaktuelle Analyse der machtpolitischen Spannungen zwischen den Weltmächten USA und Russland (nebst ihren jeweiligen Einflusszonen und Verbündeten) kulminierte in der Bemerkung, „dass wir in einer Vorkriegszeit leben« und ein großer „Cyber War“ nicht ausgeschlossen werden könne. Daneben blieb insbesondere der folgende realpolitische Lehrsatz des stets um Frieden bemühten Bahr in Erinnerung:
„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt. “
Beschränkt man den Aussagegehalt auf die entscheidende Ebene der Staatsregierungen, dann scheint das in der historischen Rückschau eine durchaus zutreffende Erkenntnis zu sein. Allerdings muss man sie dahingehend spezifizieren, dass es nicht die viel zitierten »Interessen von Staaten« sind, sondern vielmehr und zuvorderst die von den Ton angebenden (und – im Falle von gewaltsamen innerstaatlichen Machtkämpfen – auch von den oppositionellen) Gruppen im Staate definierten Interessen, die sich in den internationalen Beziehungen handlungsleitend auswirken. Werte und andere ins Schaufenster gestellte Begründungen sind demzufolge bestenfalls sekundär. Oftmals sind sie aber lediglich funktionaler Natur, z. B. propagandistischer Vorwand, legitimatorischer oder ideologischer Überbau.
Enrico Schicketanz, 24.8.2016 (online)