Letztlich geht das Verschwörungsdenken von einem ähnlichen Punkt aus wie klassische Formen der Gesellschaftskritik: Am Anfang steht die Vorstellung, dass sich hinter der oberflächlichen Realität noch tiefere, im Alltag nicht unmittelbar sichtbare Herrschaftsstrukturen verbergen. Der Unterschied ist, dass es im Verschwörungsdenken immer intentionale Akteure gibt, die das Geschehen im Hintergrund lenken. Statt diese Akteure dann in gesellschaftlichen Prozessen zu denken, werden sie als einzelne, oft antisemitisch codierte Figuren gedacht. Da sieht man die Gesellschaftsvergessenheit: Einzelne Figuren initiieren Krisen, nicht unsere Gesellschaft.
Carolin Amlinger, berliner-zeitung.de, 16.10.2022 (online)