Es ist sogar eines der größeren Probleme der Mediatheken, dass sie wie Netflix sein wollen. Eigentlich sind sie schon so wie Netflix: Auf der Startseite werden oben Vorschläge hervorgehoben und nach unten kann man endlos an kleinen Kästchen entlang scrollen. Aber ist das überhaupt sinnvoll? Das Angebot der Öffentlich-Rechtlichen ist vielfältiger. Da gibt es nicht nur Fiction und vielleicht ein paar Dokus. Es gibt Live-Formate, Nachrichten, Journalismus. Außerdem ist Netflix eine Plattform, die nur in eine Richtung sendet und auf deren Inhalte man nur mit thumbs up oder thumbs down reagieren kann. Es ist genau nicht das Ziel von Netflix, Diskussionen und Austausch zu fördern. Wenn man den Auftrag öffentlich-rechtlicher Medien aber ernst nimmt – nämlich demokratische Meinungsbildung – sollten sich die Mediatheken mehr öffnen und Raum für Debatte bieten. […]
YouTube ist das viel spannendere Vorbild. Das hat der Medienwissenschaftler Hermann Rotermund mal auf den Punkt gebracht und seitdem orientiere ich mich gerne daran. YouTube ist nicht in jeder Hinsicht gut, aber es ist inhaltlich viel breiter aufgestellt, mit Live-Funktion, Communitys und Debatten – auch wenn es vielleicht nicht ganz so shiny und schick ist wie Netflix. Und vor allem: YouTube ist die Streaming-Plattform mit der größten Reichweite. Die Mediatheken werden nach YouTube am zweithäufigsten genutzt und verschenken damit ein großes Potential, weil die öffentlich-rechtlichen Inhalte nicht auf öffentlich-rechtlichen Plattformen diskutiert werden können. Das ist nicht zeitgemäß.
Leonard Dobusch, uebermedien.de, 06.05.2024 (online)